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1918-1933: Weimarer Kino

Als „Weimarer Kino“ wird die erste Blütezeit des deutschen Films bezeichnet, die vor allem in der ersten Hälfte der 1920er Jahre weltweit Erfolge feiert. Das filmgeschichtliche Kapitel beginnt mit der Gründung der jungen Republik und endet mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933. Der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm bedeutet nicht nur aus technischer, sondern auch aus wirtschaftlicher und ästhetischer Sicht einen Paradigmenwechsel.

Expressionistischer Film
Der Untergang des Kaiserreiches und die Schrecken des Ersten Weltkrieges, die Wirren und die Konflikte der Weimarer Republik spiegeln sich in der Kunst der Zeit wider. In Literatur und Malerei beginnt die Epoche des Expressionismus – erstmals leistet der Film einen gleichwertigen künstlerischen Beitrag. Regisseure wie Ernst Lubitsch, Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau, Robert Wiene, Lupu Pick, Paul Leni sowie E.A. Dupont inszenieren in einer bis dahin nicht gekannten künstlerischen Radikalität.

Besonders ein Titel steht sinnbildlich für die Ära des expressionistischen Films: DAS CABINET DES DR.CALIGARI von Robert Wiene, der 1919 entstand und die Epoche der „dämonischen Leinwand“ (Lotte Eisner) begründet. Filme wie DER MÜDE TOD (1921), NOSFERATU - EINE SYMPHONIE DES GRAUENS (1922), ORLACS HÄNDE (1924), DER LETZTE MANN (1924), FAUST - EINE DEUTSCHE VOLKSSAGE (1926), und METROPOLIS (1927), sind nicht nur Meilensteine dieser Epoche, sondern auch Klassiker der Filmgeschichte.

Bis heute wirkt sich der expressionistische Film in Genres wie Film noir und Horror aus. Der maßgebliche Teil dieses Filmerbes wird materiell und rechtlich von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung bewahrt, leider sind nicht alle Materialien bis zur Gründung der Stiftung in den 1960er Jahren erhalten geblieben. Daher gilt ein Teil dieses Erbes als verschollen oder verloren.

Ton und Farbe
Durch geläufige Begriffe wie „Stummfilmzeit“ und „Schwarz-Weiß-Film“ entw charakterisieren diese Zeit auf problematische Weise. Denn das Kinopublikum hat den Film nicht „stumm“, sondern mit musikalischer Begleitung bis hin zum Konzert, sowie nur selten in Schwarz-Weiß erlebt. So war beispielsweise Fritz Langs METROPOLIS tatsächlich Schwarz-Weiß, DIE NIBELUNGEN (1923) dagegen orangefarben viragiert – und zu beiden gab es eine eigene Komposition. Dies muss bei heutigen Rekonstruktionen und Restaurierungen wie in den genannten Fällen berücksichtigt werden.

Bereits um die Jahrhundertwende versuchen die technischen Abteilungen der Filmmanufakturen, das ursprünglich schwarz-weiße Filmmaterial in Form eingefärbter Kopien in den Handel zu bringen. Das Spektrum reicht dabei von der anfänglichen Handkolorierung (Einzelbild für Einzelbild) bis zur späteren monochromen Einfärbung ganzer Filmsequenzen. Durch spätere Umkopierung von viragierten Nitromaterialien auf schwarz-weißes Zelluloid gehen bei zahlreichen Sicherungen die ursprünglichen Farbinformationen verloren. So lagern Filme in Archiven auf schwarz-weißen Bildträgern, die ursprünglich viragiert auf der Leinwand zu sehen waren.

Der Beginn des Tonfilms wird üblicherweise auf die späten 1920er Jahre datiert, doch bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es Versuche, das Laufbild mit Ton zu kombinieren. Als Tonquelle dient eine separate Apparatur, beispielsweise ein mit dem Filmprojektor synchron geschaltetes Grammophon. Seit Beginn der 1920er Jahre gibt es Bestrebungen, den Ton unmittelbar auf den Filmstreifen zu bringen, um die exakte Synchronität von Bild und Ton zu gewährleisten. Hierzu erwähnenswert: das TriErgon-Verfahren der deutschen Erfinder Engel, Vogts und Masolle. Ende der 1920er Jahre hat sich das sogenannte Lichttonverfahren durchgesetzt, bei dem die akustischen Signale in Lichtimpulse umgewandelt und am Rand des Filmstreifens aufgebracht werden. Beim Abspielen mit einem Tonprojektor vollzieht sich der Prozess umgekehrt: Aus Lichtimpulsen werden Tonsignale.

Blütezeit in Deutschland
Sowohl bei der Erfindung des Tonfilms als auch bei der Entwicklung von Farbfilmverfahren sind deutsche Erfinder maßgeblich beteiligt. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch der künstlerische Umgang mit der Tonfilmtechnik. Mit Meisterwerken wie Josef von Sternbergs DER BLAUE ENGEL (1930) beginnt nicht nur die Weltkarriere von Marlene Dietrich, sondern findet auch ein Umbruch in der Filmproduktion in Deutschland statt. In Genres wie Musicals, Operetten und Revuefilmen kommen die neuen technischen Möglichkeiten am besten zur Geltung. Filme wie DER KONGRESS TANZT (1930), DIE DREI VON DER TANKSTELLE (1931) oder F.P. 1 ANTWORTET NICHT (1932) werden gleichzeitig in mehreren Sprachen produziert und bescheren der Ufa internationalen Erfolg.

So erlebt die deutsche Filmindustrie eine ihrer produktivsten Phasen: Im Jahr 1931 werden 195 abendfüllende Produktionen fertig gestellt, im darauffolgenden Jahr 168. In dieser Zeit der Massenarbeitslosigkeit, der Straßenkämpfe und der permanenten Regierungskrisen entsteht in Deutschland kaum ein Film, in dem nicht gesungen, musiziert und getanzt wird. So wird das Ende der Weimarer Republik mit einem Höhepunkt der Komödienproduktionen in den Kinos begleitet. Aber auch ernste Filme, wie Fritz Langs M - Eine Stadt sucht einen Mörder (1931) nutzten die neuen technischen Möglichkeiten des Tons auf virtuos.